Laut einem Artikel des Economist hat sich eine langjährige Annahme im Gesundheitssektor als falsch erwiesen: Die Kosten im Gesundheitswesen steigen nicht länger unaufhaltsam an. In der Vergangenheit verschlang der Gesundheitssektor einen immer größer werdenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den USA stieg der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP von 5% im Jahr 1950 auf 17% im Jahr 2009. Ähnliche Trends waren weltweit zu beobachten. Doch dieser Trend hat sich überraschend umgekehrt.

Trotz alternder Bevölkerungen und der anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nimmt der Gesundheitssektor nicht mehr die Wirtschaft in Beschlag. Im reichen Teil der Welt ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP seit 2020 nahezu auf das Niveau von 2008 zurückgegangen. Dies hat zu einer erheblichen Kosteneinsparung geführt – etwa 2 Billionen Dollar unter dem Trend vor 2009.

Jahrelang wurden Projektionen steigender Kosten im Gesundheitswesen propagiert, getrieben durch Extrapolation neuer teurer Diagnostika und Therapien — kostensenkende Faktoren wurden oftmals ignoriert.
Jahrelang wurden Projektionen steigender Kosten im Gesundheitswesen propagiert, getrieben durch Extrapolation neuer teurer Diagnostika und Therapien — kostensenkende Faktoren wurden oftmals ignoriert.

In einigen Ländern wie Australien und Schweden ist das Verhältnis von Gesundheitsausgaben zum BIP sogar zurückgegangen. In Norwegen fiel es seit 2016 um bemerkenswerte 2,5 Prozentpunkte. Sogar in den USA, bekannt für hohe Gesundheitskosten, zeigt eine neue Maßnahme des Bureau of Economic Analysis, dass der Anteil der Ausgaben für Gesundheitspflege seit vor der Pandemie fällt.

Die einst inflationäre Gesundheitsbranche zeigt nun eine Inflation, die sich eher im normalen Bereich bewegt. Die allgemeinen Gesundheitspreise in Amerika, die nicht nur direkt von den Verbrauchern gekaufte Waren, sondern auch von Dritten wie Versicherungen bezahlte Dienstleistungen umfassen, stiegen von den 1970er bis in die 2000er Jahre jährlich über dem Durchschnitt an. Um 2010 kehrte sich dieser Trend um – und das trifft auch auf andere Regionen zu. Im Vergleich zum „BIP-Deflator“, einem gesamtwirtschaftlichen Inflationsmaß, ist der Deflator im Gesundheits- und Sozialwesen weltweit kaum gestiegen.

Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als frühere Warnungen einen anderen Trend vorausgesagt hatten. Präsident Barack Obama erklärte 2009, dass das Gesundheitsproblem Amerikas gleichbedeutend mit einem Defizitproblem sei. Die britische Finanzaufsicht warnte 2017 vor einem zusätzlichen Schuldenanstieg um 90% des BIPs bis zu den 2060er Jahren aufgrund von „übermäßigem Kostenwachstum“ im Gesundheitswesen. Doch diese Prognosen scheinen nun übertrieben.

Zu den Faktoren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben, gehören Verbesserungen auf der Angebotsseite wie Produktivitätssteigerungen im Gesundheitswesen, die normalerweise schwer zu erzielen sind, da es sich um eine arbeitsintensive Dienstleistung handelt. Doch es gab Fortschritte. In den USA und Großbritannien hat sich die Arbeitsproduktivität im Gesundheitswesen und in der sozialen Betreuung seit 2000 deutlich verbessert.

Technologische Veränderungen spielen ebenfalls eine Rolle. Langfristig haben Innovationen die Gesundheitskosten in der Regel erhöht, da sie Behandlungen für zuvor unheilbare Krankheiten ermöglichten. Doch die Art der Innovationen könnte sich nun in Richtung präventiver Maßnahmen verschieben, was langfristig kostensenkend wirken könnte.

Auch Nachfragefaktoren tragen zur Kostendämpfung bei. In Amerika hat der Affordable Care Act (ACA) von 2010 den Rückgang der Kosten verstärkt, indem er die Erstattungsregeln der Regierung verschärfte und unnötige Behandlungen erschwerte. In Europa haben viele Regierungen nach der Finanzkrise 2007-09 Sparmaßnahmen eingeleitet, darunter Lohnbegrenzungen und Dienstleistungskürzungen.

Ein weiterer Nachfragefaktor ist das insgesamt schwächere Wirtschaftswachstum. Gesundheitsversorgung ist ein „superiores Gut“. Wenn das Einkommen der Menschen steigt, steigt ihre Nachfrage nach Gesundheitsversorgung überproportional an. Da das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in der reichen Welt seit 2008 deutlich langsamer ist, erklärt dies zu 40-60% die Abflachung der Kostenkurve.

Die Zukunft der Gesundheitskosten bleibt ungewiss. Eine alternde Bevölkerung wird die Nachfrage weiter erhöhen, während die Inflation Reduction Act in Amerika die Preise für Medikamente zu senken versucht. Was jedoch klar ist: Gesundheitskosten müssen nicht zwangsläufig die Wirtschaft verschlingen.
Hier ist der spannende Artikel: https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/10/26/how-health-care-costs-stopped-rising

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